Wer meinen Artikel über das Festival d’Italia in Düsseldorf gelesen hat, erinnert sich vielleicht: Dort habe ich kurz die Arancini erwähnt – diese goldbraunen, knusprigen Reiskugeln, die ein fester Bestandteil der sizilianischen Küche sind. Für mich sind sie mehr als nur ein Snack. Sie sind ein Stück Heimat. Und weil ich von Freunden und Bekannten oft viele Fragen dazu bekomme, wird es Zeit, dass ich diesen kleinen Köstlichkeiten einen eigenen Beitrag widme – und gleich auch eine der größten kulinarisch-sprachlichen Streitfragen Siziliens kläre: Heißt es nun Arancino oder Arancina?

Ein Reisbällchen, zwei Namen – und viele Emotionen

In Sizilien ist man sich selten uneins, wenn es ums Essen geht. Aber bei den Arancini – da wird es kompliziert. Im Osten der Insel, vor allem in meiner Heimatstadt Catania, sagt man „Arancino“, also maskulin. In Palermo und im Westen der Insel heißt es dagegen „Arancina“, feminin. Die Meinungen sind so tief verwurzelt wie die Familienrezepte, und ein bisschen fühlt es sich manchmal an wie ein kulinarischer Kleinkrieg – mit sehr leckeren Waffen.

Aber was sagt die Wissenschaft dazu?

Die Stimme der Sprache: Accademia della Crusca

Die Accademia della Crusca, Italiens höchste Instanz in Sachen Sprache, hat sich tatsächlich dieser Debatte angenommen. In einem ausführlichen Beitrag erklärt sie, dass beide Formen korrekt sind. „Arancina“ sei jedoch formal etwas richtiger, weil der Name vom italienischen Wort für Orange – „arancia“ – abgeleitet ist. Die runde Form und goldene Farbe erinnern schließlich an die Frucht.

Gleichzeitig weist die Akademie darauf hin, dass im sizilianischen Dialekt die Orange männlich ist – „aranciu“ –, was wiederum die maskuline Form „Arancino“ rechtfertigt. Es ist also ein klassischer Fall von: Alle haben irgendwie recht.

Meine ganz persönliche Arancino-Liebe

Als in Sizilien geborene Sizilianerin, die dort einige Jahre aufgewachsen ist, habe ich meinen ersten Arancino so früh gegessen, dass ich mich nicht einmal daran erinnern kann. Ich weiß nur eines: Zwischen mir und den Arancini besteht eine tiefe, lebenslange Liebe.

Als ich später in Deutschland lebte, begann eine schwierige Zeit – kulinarisch gesehen. Arancini waren hier lange Zeit völlig unbekannt. Erst als dann endlich die ersten italienischen Bistros begannen sie anzubieten, war ich voller Hoffnung – und wurde bitter enttäuscht.

Kein Safran, keine Gemüsebrühe, kein Geschmack. Nur ein runder Klumpen weißer Reis, paniert und mit ein bisschen Füllung. Kein Vergleich zu den aromatischen, kunstvoll gefüllten Arancini aus Catania. Ich probierte sie trotzdem jedes Mal, in der Hoffnung, dass es diesmal besser wäre. Aber ich wurde fast immer enttäuscht.

Heute habe ich meinen Frieden gemacht: In Deutschland kaufe ich keine Arancini mehr. Wenn ich welche will, dann mache ich sie selbst – mit Safran, guter Gemüsebrühe und natürlich einer würzigen Füllung. Oder ich warte auf den nächsten Sizilienbesuch, wo ich mit einem Biss wieder ganz da bin: in meiner Kindheit, auf der Straße, am Ätna, den typischen Düften und knuspriger Kruste.

Formen, Füllungen und Fantasie

Traditionell besteht ein Arancino (oder eine Arancina) aus Safranreis, gefüllt mit einer Tomaten-Hackfleischsauce, Erbsen und geschmolzenem Mozzarella. Doch längst hat sich eine Vielfalt von Füllungen durchgesetzt:

  • Alla Norma: mit gebratenen Auberginen in Tomatensauce
  • Mit Pistazien und Salsiccia: eine Hommage an die Pistazien von Bronte
  • Vegetarisch: mit Spinat, Pilzen oder Tomate-Mozzarella
  • Süß: mit Schokolade, Gianduia oder Pistaziencreme

In Catania sind Arancini oft konisch geformt, wie kleine Vulkane – ein liebevoller Verweis auf den Ätna. In Palermo dagegen meist rund, orangefarben, kompakt. Und dann gibt es noch zylindrische oder ovale Varianten – je nach Füllung, Region oder Laune der Köche.

Streetfood mit Herz

Ob rund oder spitz, süß oder deftig – Arancini sind perfektes Streetfood, das satt macht und glücklich. In Sizilien bekommst man sie an jeder Ecke, morgens, mittags, abends. Für viele sind sie nicht nur Essen, sondern Erinnerung, Gefühl, Stolz.

Und wenn du das nächste Mal einen isst – sei es Arancino oder Arancina – dann denk daran: Du hältst nicht nur ein Reisbällchen in der Hand. Du schmeckst ein ganzes Stück Sizilien.

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Ein Artikel von Claudia Meli, 17.06.2025

Bild Arancini: © depositphotos_sabinoparente