Erfurt, 1.–2. Oktober 2018 – Eine geplante Bankangelegenheit wurde zur spontanen Reise – und zu einem ganz besonderen Erlebnis in Erfurt.

Seit 2012 bin ich Mitglied beim DVÜD – dem Deutschen Verband für Übersetzer und Dolmetscher. Am 1. Dezember 2017 wurde ein neuer Vorstand gewählt – und schwupps, war ich Vizepräsidentin. Gemeinsam mit der frisch gewählten Schatzmeisterin übernahm ich das Amt. Eine Präsidentin? Gab’s noch nicht. Die kam dann rund sechs Monate später dazu, als sich eine mutige Kollegin bereit erklärte, das Ruder zu übernehmen.

Endlich war der Vorstand komplett – und wir wollten Nägel mit Köpfen machen. Also: Bankkontoübernahme! Klingt nach Papierkram, war aber der Auftakt zu einem ziemlich kuriosen Abenteuer.

Mein Identitätsausweis sorgt für Aufregung

Ich, als Italienerin mit einem charmant altmodischen Identitätsausweis in Papierform – ein echtes Unikat! – wollte brav das Post-Ident-Verfahren machen. Denkste! Mein Ausweis wurde schon oft belächelt („Hübsch, aber jetzt bitte den richtigen!“), aber dieses Mal war Schluss mit lustig. Die Post winkte ab: „Dies ist kein biometrischer Ausweis, somit kein Post-Ident-Verfahren möglich!“

Die Paxbank hatte ihre Filialen ausschließlich in Thüringen. Also entschied der Vorstand: Wir reisen persönlich nach Gera! Die Präsidentin schlug vor, vorher in Erfurt zu übernachten – das sei schöner. Und ich, von Natur aus neugierig und reiselustig, war sofort dabei. Ich buchte das B&B Hotel nahe dem Hauptbahnhof – hundefreundlich, wie praktisch, denn mein Hund Stella war natürlich mit von der Partie. Ich bringe sie nur sehr ungern in eine Tierpension. Diesmal durfte sie mit auf Dienstreise!

Hunde, Haltestellen und Hoffnung

Mit einer ungeduldigen Stella im Auto ist keine Fahrt wie jede andere. Die ersten 100 Kilometer verliefen ruhig, doch dann wurde sie unruhig. Also machten wir etwa alle 50 Kilometer eine Pause – Pippi, Schnüffelrunde, Wasser. Und weiter. Und wieder Pause. Und weiter. „Wir schaffen das!“, sagte ich mir. Mit Hund und doppeltem Gepäck kamen wir schließlich am späten Nachmittag in Erfurt an.

Im Hotel richtete ich unser kleines Zuhause ein: Wassernapf, Kuscheldecke, Plüschbär. Auch meine Sachen räumte ich in den Schrank – alles, um Stella zu beruhigen. Dann blieb ich eine Weile im Zimmer, damit sie merkte, dass wir wirklich bleiben würden.

Zwei Stunden später traf die Präsidentin ein. Bis dahin kannten wir uns nur von Zoom-Meetings und Telefonaten – und doch fühlte es sich sofort an wie ein Wiedersehen mit einer alten Freundin. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg in die Altstadt, wo sie mir ihre Lieblingsplätze zeigte. Im Ristorante Fellini gönnten wir uns eine ordentliche Portion Lasagne – besser hätte ich mir meine persönliche Stadtführerin wirklich nicht vorstellen können.

Und zum krönenden Abschluss des Abends: eine Überraschung! Als wir am Domplatz ankamen – Kirmes! Das Erfurter Oktoberfest war in vollem Gange. Natürlich ließen wir es uns nicht nehmen, zwischen bunten Lichtern und Zuckerwatteduft durch die Reihen zu schlendern und eine Runde mit dem Panoramarad zu drehen.

Gera: „Ich übernehme den schwierigen Fall“

Am nächsten Morgen: Abfahrt nach Gera. Im Gepäck: Eine Vizepräsidentin mit italienischem Ausweis, eine Präsidentin mit Geduld und ein zappeliger Vierbeiner. Die Schatzmeisterin erwartete uns schon vor der Bank.

Die Bankangestellten staunten nicht schlecht: „Sie sind alle extra angereist? Warum denn kein Post-Ident?“ – Tja, da ist er wieder, mein Papier-Schmuckstück! Schließlich trat eine dritte Kollegin an den Schalter, warf einen Blick auf meinen Ausweis und sagte augenzwinkernd: „Kommt, ich übernehme den schwierigen Fall!“ Charmant ist anders, aber was soll’s – Hauptsache, das mit der Kontoübernahme war geklärt.

Nach einem gemeinsamen Mittagessen, viel Gelächter und ein bisschen „Wie-machen-wir-weiter“-Plauderei verabschiedete sich unsere Schatzmeisterin in Richtung Zwickau. Die Präsidentin stieg in Erfurt in den Zug nach Frankfurt, um von dort weiter nach Mannheim zu reisen – und ich? Ich entschied mich ganz spontan, noch eine Nacht in Erfurt zu bleiben. Es war inzwischen dunkel, und bei Dunkelheit fahre ich ungern. Vor allem nicht mit Stella auf dem Rücksitz – Sicherheit geht vor, für uns beide.

Ein Tag in Erfurt – mit Hund und Humor

Der nächste Tag: Regen. Natürlich. Ich wollte Stella vor der Rückfahrt nochmal ordentlich auspowern, also ging es trotzdem los – Erfurt entdecken mit Schirm, Charme und Hund.

Wir starteten am Angermuseum, einem prächtigen Barockbau, der von außen so einladend ist, dass man fast erwartet, dass dort eine Zeitmaschine steht. Dann weiter zum Domplatz – mit dem beeindruckenden Dom St. Marien und der benachbarten St. Severi Kirche, ein Duo, das wie ein gotisches Powerpaar über die Stadt wacht.

Auf der Zitadelle Petersberg, einer Festung mit ordentlich Geschichte (und Steigung!), genossen wir den Blick auf die Stadt. Danach schlenderten wir über den Fischmarkt mit seinem prunkvollen Rathaus und landeten schließlich auf der Krämerbrücke – eine der wenigen vollständig bebauten Brücken Europas. Dort hatte ich beinahe das Gefühl, durch eine Filmkulisse zu laufen: Fachwerkhäuser, kleine Läden, süßer Duft nach frischem Gebäck. Stella war vor allem an der Wurstbude interessiert.

Und dann: KIKA-Figuren!

Überall in Erfurt tauchen sie plötzlich auf – wie kleine Schatzfunde: KIKA-Figuren! Richtig gelesen. Seit der KIKA-Kanal hier seinen Sitz hat, wurden berühmte Kinderhelden in der Stadt verteilt. Ich traf unter anderem Maus und Elefant auf dem Anger, Käpt’n Blaubär und Hein Blöd in der Gera, Pittiplatsch auf der Rathausbrücke und Drache Tabaluga am Hirschgarten – Stella beäugte sie misstrauisch. Ich fand es herrlich – diese kindliche Freude mitten in der Altstadt, einfach wunderbar!

Blähungen und das große Finale

Dann ging es zurück. Ich war vorbereitet: Lieblingsleckerlis in handliche Stücke gebrochen, alles parat, um Stella unterwegs bei Laune zu halten. Die ersten 200 km war sie vorbildlich – sie schlief tief und selig. Dann aber: Unruhe auf der Rückbank. Ich konnte nicht anhalten – Starkregen. Also Leckerli, noch eins, und noch eins … na ja, sagen wir: zu viele!

Die letzten 100 Kilometer rochen eher nach Faultiergehege als nach frischer Landluft. Stella pupste sich unbeirrt durch die Autobahnfahrt. Wegen des starken Regens konnte ich das Fenster nicht einmal einen Spalt öffnen – also blieb mir nur, tief durchzuatmen (so gut es eben ging) und zu hoffen, dass wir bald zu Hause wären.

Um 20 Uhr kamen wir an. Ich war erledigt. Aber irgendwie – auch glücklich. Diese Reise war anders, chaotisch, voller kleiner Überraschungen. Und Erfurt? Hat mein Herz im Sturm erobert.

Ein Artikel von Claudia Meli, 06.10.2018

Bilder & Texte: © Claudia Meli